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von Christina-Marie Lümen
Der heutige Besucher des Palazzo Venezia sieht sich bei seiner Ankunft mit einer grundlegend anderen Situation konfrontiert als jener zur Errichtung des Baus während des 15. Jahrhunderts: Die Piazza Venezia gehört heute zu einem der verkehrsreichsten Plätze der Welt [1], südlich des Palastes ragt das Denkmal für Vittorio Emanuele II. mit seinem weißen Marmor in die Höhe, gen Osten, auf der anderen Seite des Platzes, schafft ein Palast aus dem 19. Jahrhundert als Anlehnung an den Palazzo Venezia ein auffallendes Gegengewicht.
Die ohnehin schwierige Annäherung an das Gebäude, auf Grund der Größe und Komplexität des gesamten Areals, wird so um ein Weiteres erschwert durch die Fülle an zeitgleichen visuellen und auditiven Eindrücken. Ein guter Ort, um sich einen Überblick über den Gesamtkomplex zu verschaffen, bietet sich – nach der nicht vollkommen ungefährlichen Straßenüberquerung – von der Verkehrsinsel in der Mitte der Piazza Venezia: Die Ost-Fassade, welche mit einem der beiden Hauptportale eine der Eingangsfassaden, und zudem die einzig freistehende Front des Palastes darstellt, ist in ihrer gesamten Länge zu erblicken, ebenso wie die charakteristischen Merkmale der der Fassaden- bzw. Gebäudegestaltung: Die schlichten, unregelmäßig angeordneten Rundfenster im Erdgeschoss; die einschlägigen Kreuzfenster aus weißem Marmor im Piano Nobile; die Konsolen mit darüber liegendem Zinnkranz am oberen Ende des Gebäudes; sowie der süd-östlich gelegene Eckturm. Zwischen Kreuzfenstern und Zinnkranz befindet sich ein Zwischengeschoss aus einfachen quadratischen (Loch-)Fenstern, welche in etwa die Größe einer der oberen Vierungen der Kreuzfenster besitzen; diesen Fenstern und auch den Kreuzfenstern des Piano Nobile unterliegt außerdem ein Gurtgesims, welches das gesamte Gebäude umspannt (Abb. 1).
Der Gesamteindruck dieser Front wirkt zunächst wuchtig und ein wenig unbeholfen, da die Größe und Schwere des Baus in einem gewissen Gegensatz zu der Unregelmäßigkeit der Fensteranordnung und -formen stehen. Die harten, relativ schweren Kreuzfenster scheinen nicht mit den Rundfenstern des Erdgeschosses übereinzustimmen, die Lochfenster unterhalb des Zinnkranzes wirken im Verhältnis zur übrigen Front zu klein. Wie die Gründungsmedaille mit den Plänen Francesco Del Borgos (nach 1420-1468) aus dem Jahre 1465 zeigt, waren im Piano Nobile zunächst Triforen geplant; das Erdgeschoss hingegen sollte schlichte, rechteckige Fenster beherbergen (Abb. 2, Nr. 55). Die heutige Fensterordnung stellt damit eine genaue Umkehr der ursprünglichen Pläne dar; die Herkunft dieser Anordnung ist unklar, jedoch wurden die Kreuzfenster im Piano Nobile erst kurz nach dem Tod Francesco Del Borgos eingebaut und gehen somit höchstwahrscheinlich nicht auf seine Planung zurück.[2]
Ebenfalls den Plänen auf der Gründungsmedaille widersprechend, und gewissermaßen als Fremdkörper erscheinend ist, das Portal in der Mitte der Fassade, welches eine gleichförmige Entsprechung an der Nordfassade des Palastes besitzt. Die grazilen Voluten oberhalb des Gebälks, ebenso wie die darunter liegenden schmalen Konsolen scheinen zu fein und zu raffiniert für die übrigen Gebäudeelemente, insbesondere für die großen Rundfenster im Erdgeschoss. Letztere sind zudem deutlich überhalb der horizontalen Mittelachse des Portals angeordnet, und betonen so dessen relativ geringe Größe. Die Portale wurden nach 1471, und somit ebenfalls deutlich nach Del Borgos Tod, eingebaut und weichen von den erneut von dem Abbild auf der Gründungsmedaille ab.[3] Auf Grund einer Ähnlichkeit zu S. Sebastiano in Mantua sind sie möglicherweise Giovanni Dalmata (um 1440-nach 1514), einem der Nachfolger Francesco Del Borgos, zuzuschreiben.[4]
Ein weiteres Element, welches zum unregelmäßigen Eindruck des Gebäudes beiträgt, ist der quadratische Turm an der süd-östlichen Ecke des Palazzo. Wie auf der Gründungsmedaille zu erkennen ist, waren ursprünglich mindestens zwei, vermutlich jedoch vier Ecktürme vorgesehen (Abb. 2). Der Grund, warum die übrigen Türme nicht ausgeführt wurden, ist unbekannt. Vermutlich hängen sie jedoch mit den Änderungen der Baupläne nach dem Tod Paul II. (1417-1471) unter seinem Neffen Marco Barbo (1420-1491) zusammen, bzw. mit dessen finanziellen Schwierigkeiten nur sechs Monate nach Übernahme der Bauarbeiten.[5] Das Vorkommen eines alleinigen Eckturms schafft ein Ungleichgewicht, welches sich jedoch in den allgemeinen Eindruck des Gebäudes einfügt. Der einzelne Turm bildet zudem eine Ähnlichkeit zum Palazzo Capranica, welcher wenig vor dem Palazzo Venezia errichtet wurde und als ein Vorgänger gelten kann (Abb. 3).[6] Der Zinnkranz und das Gurtgesims, sowie die drei horizontal regelmäßigen Fensterebenen sprechen dagegen für eine geschlossene Auslegung des Palastes zu Beginn der Planungen [7]; der Eindruck von Unregelmäßigkeit und Ungleichgewicht ist somit ein Resultat des Bauprozesses und der darin enthaltenen mehrfachen Wechsel der Baumeister und Auftraggeber.
An dieser Stelle scheint es angebracht, die Geschichte des Palazzo Venezia etwas näher zu erläutern: Der heutige Palast geht zurück auf das ursprünglich an die Basilica di S. Marco angrenzende Haus, welches Pietro Barbo, der spätere Papst Paul II. ab 1451, anlässlich seiner Berufung zum Schutzkardinal von S. Marco, in (s)einen Kardinalspalast umbauen ließ.[8] Als Pietro Barbo am 30.4.1464 zum Papst Paul II. gewählt wurde, residierte er zunächst ein Jahr im Vatikan und führte dort einige bauliche Veränderungen durch.[9] Die Gebäude dort erschienen ihm nach kurzer Zeit allerdings als zu klein und – im Vergleich zu Residenzen seiner Vorgänger wie etwa der Villa Borghese – zu unrepräsentativ, weshalb er 1465 den Auftrag der Umgestaltung seines ehemaligen Kardinalspalastes in eine päpstliche Residenz anordnete [10]: Den heutigen Palazzo Venezia. Die Bauarbeiten unter Paul II. betrugen fünf Jahre, nach einer dreimonatigen Bauleitung durch Battista da Castiglione11, übernahm im November 1465 Francesco Del Borgo die Arbeiten, welche er in den folgenden drei Jahren maßgeblich prägte. Nach dem Tod Del Borgos 1468 übernahmen wechselnde Architekten die Leitung, orientierten sich jedoch weiterhin an den Plänen Del Borgos; Letzterer kann somit als Hauptbaumeister des Gesamtkomplexes bezeichnet werden.[12]
Der Bauauftrag Paul II. aus dem Jahre 1465 beinhaltete den Ausbau der Zimmer und Säle in die Struktur eines Palastes sowie die Errichtung zusätzlicher Räumlichkeiten zur Verbindung der Basilica di S. Marco mit dem Palast; die Front der Kirche inklusive des Portikus; den Palazzetto;
und einen ummauerten Garten.[13] Sowohl das Gebäude auf der Gründungsmedaille aus dem Jahre 1465, als auch dessen Vorgänger 10 Jahre zuvor, muten eher wie ein mittelalterliches Kastell denn wie ein Renaissance-Palast an[14]; insbesondere der Zinnkranz sowie der alleinige Eckturm tragen zu diesem Eindruck bei. Ersterer ist allerdings nicht als Rückständigkeit zu bezeichnen, sondern stellte eine bewusste bauliche Entscheidung dar, welche spätere Nachahmungen, unter anderem in der Sixtinischen Kapelle oder dem Belvedere von Innozenz VIII. fanden. Dieser Umstand bildet ein Beispiel für die ‚Progressivität’ des Palastes zur Zeit seiner Errichtung und für die Vorbild-Funktion, die er damit erfüllte.
Ein wesentliches Element in Bezug auf den richtungsweisenden Charakter des Gebäudes bildete die Ausgestaltung der Innenräume des heutigen Piano Nobile. Jene gingen auf das Obergeschoss des ursprünglichen Kardinalspalastes zurück, nahmen innerhalb des Umbaus jedoch erheblich an Ausmaß und Repräsentationskraft zu. Die Intention bei ihrer Ausgestaltung dieser Räume war es, die klassische Struktur des päpstlichen Apartments im Vatikan nachzubilden. Letztere bestand in einer festen Raumabfolge: Nach dem Aufstieg über die Haupttreppe betrat man zunächst die Sala Regia; daraufhin folgten zwei Vorzimmer mit der Bezeichnung Sala Ducale I und II (auch Sala del Mappamondo genannt); weiter schlossen sich die Camera dei Paramenti, und die Camera del Pappagallo an, auf welche abschließend die
Privatgemächer des Papstes mit seinem Schlafgemach folgten (Abb. 4).[15] Diese Raumstruktur spiegelte das Empfangszeremoniell wider, insofern, dass sich der Besucher mit jedem Raum weiter zum Papst ‚vorarbeitete‘; ein Voranschreiten in Räumen bedeutete so einen Zuwachs an Vertraulichkeit. Während die Räumlichkeiten im Vatikan ohne einen bestimmten Maßstab lediglich mit fortschreiten der Abfolge in ihrer Größe abnahmen, führte Francesco Del Borgo für die Räume im Palazzo Venezia eine mathematische Proportionierung ein, welche die Funktion bzw. Bedeutung der Räume hervorhob: Die Sala Regia, sowie die Camera del Pappagallo behielten ihre ursprüngliche Größe bei; die Sala Ducale I und II hingegen, wurden verlängert, sodass die Fenster in den jeweiligen Räumen von fünf Fenstern in der Sala Regia der Reihe nach bis zu jeweils zwei Fenstern in der Camera dei Paramenti bzw. del Pappagallo abnahmen.[16] Die wachsende Intimität spiegelte sich so in den Räumlichkeiten wieder, und wurde durch das Abnehmen der Fensteranzahl sogar greif-, genauer: abzählbar. Diese rhythmische Anordnung ist bis ins 16. Jahrhundert einzigartig [17] und stellt ein Beispiel Del Borgos Geschick bezüglich der Variation vorhandener Muster und Strukturen dar.
Heute beherbergen die Räumlichkeiten des Piano Nobile das Museo Nazionale del Palazzo Venezia, eine Sammlung mittelalterlicher sowie aus der Renaissance datierender Bronze-, Holz- und Elfenbeinarbeiten, Waffen, Keramiken, Bekleidungen, sowie Gemälden.[18] Trotz oder gerade auf Grund der Funktion als Ausstellungsfläche sind die Räumlichkeiten überwiegend frei betretbar und die Raumstrukturen gut zu erkennen. Der Reflektionsprozess sowie der Spannungsaufbau, den die programmatische Raumabfolge beim Besucher auslösen sollte, sind dadurch auch bei heutigem Durchschreiten der Räumlichkeiten erfahrbar.
Eine weitere Besonderheit des Palazzo Venezia, sowohl in gestalterischer/ architektonischer als auch in baugeschichtlicher Hinsicht, bildet der Hof des Palastes. Wie bereits im Zusammenhang mit der Façade/ Außengestaltung des Palastes erwähnt, wurde der Gebäudekomplex des Palazzo Venezia höchstwahrscheinlich von Beginn an als geschlossene Anlage konzipiert.[19] Inwiefern dies auch für den Hof bzw. die diesen umgebene Loggia vorgesehen war, ist unklar; auf Grund der vorhandenen Struktur der Letzteren ist dies allerdings anzunehmen, obgleich die heutige Loggia nur etwa ein Drittel der gesamten Hoffaçade, jeweils circa die Hälfte der Ost- und der Nordwand des Hofes, umgibt.
Im Erdgeschoss befinden sich dorische Säulen, welche auf vergleichsweise hohen Pedestalen angeordnet sind und jeweils einer Arkade aus Pilastern vorstehen; im Piano Nobile wird dieses Muster wiederholt, allerdings sind die Pedestale hier nur circa halb so hoch und die Säulen mit einem Kompositen Kapitell geschmückt (Abb. 5). Diese Kombination aus einer Säulenkolonnade mit einer dahinter liegenden Arkade aus Pilastern wird als Theatermotiv bezeichnet, welches seinen Namen von dem frühesten Beispiel dieses Motivs, dem Kolosseum, hernimmt. Die Einführung dieses Motivs in den Palastbau bzw. die neuzeitliche Architektur insgesamt findet hier ein frühes, wenn nicht erstes Beispiel, und ist vor diesem Hintergrund ausdrücklich hervorzuheben. Auf Grund der Tatsache, dass dieses Motiv ebenfalls in der Façade der Basilica S. Marco anzufinden ist, ist die Einführung vermutlich Del Borgo zuzuschreiben. Doch obgleich Letzterer auf ein bestehendes Motiv zurückgreift, lassen sich eindeutige Veränderungen erkennen: Sowohl die Säulenhälse als auch die Gesimse sind im Gegensatz zum Kolosseum langgestreckter und schmaler, wodurch ein Eindruck des Emporsteigens und der Höhe erzielt wird [20]. Darüber hinaus fügte er auch im Erdgeschoss Pedestale ein, welche beim Kolosseum erst ab dem ersten Bogengang anzufinden sind. Dieser Eingriff schafft zum einen eine Verbindung zur Loggia des Piano Nobile, und damit einen Eindruck der Einheitlichkeit. Darüber hinaus könnten die Pedestale als Mittel zur Strukturierung bzw. dem Ausweichen eines Eindrucks des ‚Uferlosen‘ – angesichts der gesteiger ten Höhe der Säulen – bet rachtet werden. Wei tere Unterscheidungsmerkmale der Loggien im Palazzo Venezia sind die Versehung der Säulen mit einer Entasis, sowie die Verminderung der Breite der Pilaster[ 21], wodurch ebenfalls ein Eindruck des Emporsteigens, ‚des Anmutes’, vermittelt wird. Wie bereits erwähnt, begannen die Bauarbeiten für den Hof erst 1470, zwei Jahre nach dem Tod Francesco Del Borgos. Es ist daher unklar, welche Elemente auf die Ideen Del Borgos zurückgehen, und welche seinen Nachfolgern, Giovanni dei Dolci und Giovanni Dalmata zuzuordnen sind. Obgleich sich gewisse Unterschiede zwischen den beiden Etagen der Loggen erkennen lassen, wie beispielsweise die Wappen in einigen der Pedestale im Piano Nobile, ergibt sich – für den Laien – doch insgesamt ein Eindruck der Einheitlichkeit. Christoph-Luitpold Frommel hebt hingegen hervor, dass insbesondere die Pedestale, die Fensterumrahmungen im Erdgeschoss, sowie die Konsolen der Kreuzgewölbe als charakteristisch für Del Borgo gelten können [22]. Darüber hinaus sei die Ecklösung durch die Kreuzung von zwei Pilastern und deren Halbsäule, welche für ein ausreichendes Gewicht der Ecken sorge, ohne dem Eindruck der Höhe und der Eleganz entgegenzuwirken, als stilistisch Del Borgo zuzuordnen.[23] Insgesamt kann die Gestaltung des Hofes somit als eine Fortführung der Ideen Del Borgos durch Giovanni Dalmata bzw. Giovanni dei Dolci bezeichnet werden. [24] Vom Hof aus ist der nord-westliche/ westliche Gebäude-Teil zu erblicken, welcher nichtrepräsentativen Aufgaben zugeordnet war. Die Größe dieses Bereiches, und die Anzahl der darin befindlichen Räume (ablesbar an den vom Hof aus zu erblickenden – kleinen – Fenstern) lassen den ‚Staat‘ erahnen, der in den Gesamt-Komplex des Palazzo Venezia untergebracht war.
Letzterer wiederum verweist auf das Grund-Vorhaben Pauls II. Bezüglich des Ausbaus des Palazzo Venezia: die Verlegung des religiösen (und/ bzw. politischen) Zentrums Roms vom Vatikan hin zur Piazza Venezia, und in diesem Zusammenhang eine völlige Neugestaltung des gesamten Viertels.[25] Ein solches Vorhaben war erstmalig für das 15. Jahrhundert, sowohl bezüglich seines Ausmaßes als auch der baulichen Intention. Sixtus IV. strebte später am Kapitol Ähnliches an [26]; der Palazzo Venezia kann somit als – direktes – Vorbild betrachtet werden. Tatsächlich trug der Ausbau des Palazzo Venezia zunächst zu einer Urbanisierung des Stadtteils bei [27]; bereits 1468 verlegte Paul II., anlässlich der sogenannten ‚Humanistenverschwörung‘, den päpstlichen Sitz jedoch zurück in den Vatikan und übergab den Palast unvollendet an seinen Neffen, Marco Barbo.[28] Dieser führte die Grundpläne des Onkels weiter, unternahm darüber hinaus allerdings einige Umbauten sowie Erweiterungen; unter anderem der südliche Eckturm sowie die Errichtung der Loggien im Hof gehen auf die Bauzeit unter Marco Barbo zurück. Das Wappen Marco Barbos an verschiedenen Elementen des Gebäudes gibt Aufschluss über seine baulichen Eingriffe.[29] Zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert wurden nahezu keine baulichen Veränderungen vorgenommen [30].
Der letzte große Eingriff geschah in den Jahren 1910/11, als der ursprünglich süd-östlichen gelegene Palazzetto an die süd-westliche Ecke des Palastes verlegt wurde. Grund für diese Verlegung war die Errichtung des Denkmals Vittorio Emanuele II., um so einen freien, frontalen Blick auf das Denkmal zu ermöglichen.[31] Betrachtet man die Grundrisse des Areals zu Zeiten Del Borgos bzw. nach der Verlegung des Palazzetto (Abb. 6 bzw. 7), fällt auf, dass im Rahmen der Verlegung der ursprünglich trapezförmige Bau in einen quadratischen Komplex verwandelt wurde. Das dreieckige Apartment an der südlich-östlichen Front des Palazzettos, welches während dieses Prozesses abgetragen wurde, diente zu Lebzeiten Pauls II. als Apartment des Kardinals von S. Marco, Marco Barbo.[32]
Der Umstand, dass es sich heute um eine quadratisches Gebäude handelt, ist von der Piazza S. Marco aus eindeutig zu erkennen. Die Verlegung des Palazzetto führte zudem zu einer vereinheitlichenden Neugestaltung der Piazza Venezia in den weiten und freien Platz, den sie heute – abgesehen von der Vielzahl an Menschen und Fahrzeugen – darstellt. Ab 1929 diente der Palast als Regierungssitz Benito Mussolinis (1883-1945) [33], und bildete in diesem Rahmen für die kommenden 15 Jahre das politische Zentrum der Stadt bzw. des gesamten Staat Italiens. In gewisser Weise erfüllte sich somit, zumindest temporär, der ursprüngliche Gedanke Pauls II. Die Gestalt des Palazzo Venezia kündigt von seiner wechselseitigen Geschichte, die Größe des Komplexes hingegen von der Bedeutung, die dem ursprünglichen Bauvorhaben unterlagen. Trotz, oder gerade auf Grund der zahlreichen Unregelmäßigkeiten in der äußeren Erscheinung, ist der Palast äußerst charakteristisch, ‚authentisch‘, und darin harmonisch: sympathisch. Der Hof, die Strukturierung des Hauptgeschosses, und auch der abschließende Zinnkranz verweisen auf die Kühnheit und Progressivität der architektonischen Gestaltung. Bezüglich seiner Gesamtkonzeption bildete der Palazzo Venezia im 15. Jahrhundert ein Projekt „senza precedenti, sia per quanto riguarda la funzionalità che per la coerenza progettuale.“ [34] Und obgleich das politische und das religiöse Zentrum der Stadt nach wie vor an anderen Orten residieren, könnte die Tatsache, dass die Piazza Venezia heute die geografische Mitte der Stadt [35] sowie eines ihrer Hauptverkehrszentren bildet, als eine späte Teil-Realisierung des Vorhabens – der Vision? – Pauls II. gedeutet werden.
1. Fischer, Heinz-Joachim: Rom. Zweieinhalb Jahrtausende Geschichte, Kunst und Kultur in der Ewigen Stadt, Dumont Kunst-Reiseführer, 7. Auflage, Ostfildern 2013, S. 162.
2. Frommel, Christoph Luitpold: „Archittetura e Commitenza da Alberti a Bramante“, in: Centro Studi Leon Battista Alberti, Ingenium, Bd. 8, Mantua 2006, S. 255.
3. Vgl. ibid. S. 255.
4. Vgl. ibid, S. 301.
5. Vgl. ibid., S. 222.
6. Vgl. Ibid., S. 164.
7. Vgl. ibid. 254.
8. Vgl. Frommel, Mantua 2006, S. 158-164, S. 158.
9. Vgl. Frommel, Mantua 2006, S. 157.
10. Vgl. ibid., S. 157 f..
11. Das Geburts- bzw. Sterbedatum Castigliones ist nicht bekannt.
12. Vgl. Schelbert, Georg: „Palazzo Venezia (Palazzo di San Marco)“, in: Strunck, Christina: Rom. Meisterwerke der Baukunst von der Antike bis Heute, Petersberg 2007, S. 173-177. S. 173.
13. Vgl. Frommel, Mantua 2006, S 169.
14. Vgl. ibid., S. 158.
15. Vgl. Frommel, Mantua 2006, S. 277.
16. Vgl. ibid., S. 275.
17. Vgl. ibid., S. 277.
18. Ein erstes Museum wurde bereits im Jahre 1916 gegründet, dessen Sammlung im Verlaufe des 20. Jahrhundert kontinuierlich erweitert wurde. S. Dazu http://www.museopalazzovenezia.beniculturali.it/index.php?it/4/storia-del-museo, letzter Zugriff: 14. Oktober 2018.
19. S. oben.
20. Vgl. Frommel, Mantua 2006, S. 295.
21. Vgl. ibid, S. 297 bzw. Schelbert, in: Strunck, Petersberg 2007, S. 175.
22. Vgl. Frommel, Mantua 2006, S. 297.
23. Vgl. ibid.
24. Vgl. Frommel 2006, S. 301.
25. Vgl. ibid., S. 257.
26. Vgl. ibid.
27. Vgl. ibid.
28. Vgl. Schelbert, in: Strunck, Petersberg 2007, S. 173.
29. Vgl. Frommel, Mantua 2006, S. 220.
30. Vgl. ibid., S. 255.
31. Vgl. ibid., S. 175.
32. Vgl. ibid., S. 219.
33. Vgl. Schelbert, in: Strunck, Petersberg 2007, S. 174.
34. Fommel, Mantua 2006, S. 247.
35. Vgl. Fischer, Ostfildern 2013, S. 162.
Bibliographie
Fischer, Heinz-Joachim: Rom. Zweieinhalb Jahrtausende Geschichte, Kunst und Kultur in der Ewigen Stadt, Dumont Kunst-Reiseführer, 7. Auflage, Ostfildern 2013.
Frommel, Christoph Luitpold: „Archittetura e Commitenza da Alberti a Bramante“, in: Centro Studi Leon Battista Alberti, Ingenium, Bd. 8, Mantua 2006.
Schelbert, Georg: „Palazzo Venezia (Palazzo di San Marco)“, in: Strunck, Christina: Rom. Meisterwerke der Baukunst von der Antike bis Heute, Petersberg 2007, S. 173-177.